Nach der Vertragsunterzeichnung ist Deine Aufgabe noch nicht vollständig beendet, denn es beginnt für Dich die Aufgabe «beyond recruiting»: Die Zukunft fixieren.
Lass uns die «Probe-Zeit» ein bisschen tiefer und genauer anschauen und entdecken, was in dieser Zeit abgeht.
Während dieser Zeit werden die neuen Mitarbeitenden auf den folgenden drei Ebenen angeschaut und bewertet:
Die fachliche Tauglichkeit hat dazu geführt, dass die Person eingestellt wurde, weil sie das notwendige Wissen & Können mitbringt.
Die Erfolgstauglichkeit hast Du im Interview, in den Arbeitszeugnissen und in den Referenzauskünften abgeklärt.
Die charakterliche Tauglichkeit haben Du und das Interviewteam aufgrund der Erfahrungen in den verschiedenen Gesprächen entdeckt und für gut befunden.
In der Probezeit geht es nun darum, jede der drei Tauglichkeiten auf den Prüfstand zu stellen und genau hinzuschauen. Kann oder weiss jemand etwas nicht, schaust Du genau hin, weshalb das so ist und wie sich diese Person verhält, um zu der nötigen Information zu gelangen.
Wenn eine Person mit einer anderen Geschwindigkeit oder Art als vorgegeben ihre Ziele erreichen will, gilt es herauszufinden, weshalb das so ist und ob das geändert werden kann.
Die wichtigste Tauglichkeit jedoch ist die charakterliche Tauglichkeit, denn diese ist entscheidend für die Zielerreichung im Team.
Weshalb nehme ich einen so krassen Vergleich? Ganz einfach: diese Truppe kann und will keine Kompromisse eingehen. Es geht dort um Leben und Tod. Bei Dir im Betrieb hoffentlich nicht, was Dich aber nicht davon abhalten sollte, auch keine Kompromisse einzugehen.
Also schauen wir mal, wie die NAVY SEALs ihre Teammitglieder wählen, um sicher zu sein, dass nicht nur die fachliche und die Effektivitätstauglichkeit da ist, sondern auch – und eben entscheidend – die charakterliche Tauglichkeit.
Die SEALs sind eine Spezialeinheit der U.S. Navy. «SEAL» ist ein Akronym aus den Wörtern Sea, Air, Land, die die Einsatzorte der Spezialeinheit zum Ausdruck bringen. Diese Truppe wird dann geschickt, wenn nichts anderes mehr geht; sie ist sozusagen Feuerwehr und Aufräumtruppe gleichzeitig.
Ein SEAL beschreibt sich wie folgt: I AM THE WEAPON – everything else is just an accessory – im Sinne von: Ich bin die Waffe – ich bin unabhängig von allen anderen Waffen und Mitteln, weil ich das alleine alles kann! Ich will und muss nicht alleine. Aber weil ich alleine könnte, bin ich in der Lage sehr sauber auszuwählen, wer mit in meinem Spitzenteam ist.
Die SEALs wählen Teammitglieder nach zwei Kategorien aus: Performance and Trust. Die Grundannahme für diese zwei Kategorien ist die folgende: Performance is about competence, trust is about character.
Performance wird mit der Frage abgeholt: «Do I trust you with my life?» im Sinne von: wie gut verstehst Du Deinen Job als Spezialeinsatzkommando? Kann ich darauf vertrauen, dass wir im Einsatz wirklich gut arbeiten und Du nicht einfach anfängst zu heulen, wenn die Anderen auf uns schiessen?
Für die zweite Kategorie Trust stellen sie die folgende Frage: «Do I trust you with my money and my wife?» Kann ich auch abseits des Feldes darauf zählen, dass Du moralisch integer bist? Wirst Du mich nicht über die Klinge springen lassen, wenn es Dir, Deinem Geld, Erfolg oder Deinem eigenen Ego dient?
Diese Grundsätze sind wesentlich für diese Truppe, weil sie sich ja 100%-ig auf einander verlassen können müssen in ihren Einsätzen.
Wenn sie also keinen Menschen finden würden, der nicht genau die Top-Performance abliefert, die sie sich wünschen, der Mensch aber «top» ist in Bezug auf «Trust», dann würden sie auswählen nach «Trust». Weshalb? Weil jemand, der nur in Richtung Performance unterwegs ist, aber als Persönlichkeit nicht absolut vertrauenswürdig ist, eine sog. «toxische Persönlichkeit» ist. Sie bekommen dann zwar die Leistung, aber zu welchem Preis?
Deshalb ist es wichtig, dass auch Du diese beiden Kriterien genau anschaust, wenn ihr neue Mitarbeitende auswählt. Beide gehören zusammen.
Und im Hintergrund spricht (m)eine leise Stimme: «Keine Kompromisse eingehen!»…
Und hier noch zum tieferen Verständnis das Motto der SEALs:
STAY LOW, GO FAST – KILL FIRST, DIE LAST und ONE SHOT, ONE KILL – NO LUCK, ALL SKILL
Übersetzt auf die Geschäftswelt bedeutet das:
STAY LOW
Bleib bescheiden, quatsch nicht viel rum, es geht nicht um Grosskotzigkeit, sondern um den Job. Schaumschläger kannst Du nicht in einem guten Team gebrauchen. Alle die damit beschäftigt sind, von Feuer zu quatschen, anstelle Feuer zu machen, gehören nicht in ein Team.
GO FAST
Es geht darum, in einer gewissen Schnelligkeit stetig und permanent nach vorne zu gehen. Und je schneller sich die Welt verändert, desto schneller müssen wir uns verändern und anpassen. Wir sind immer am Start; keiner pennt!
KILL FIRST
Wir reden hier wirklich über «killen»? Ja, denn als erstes müssen alle EGO’s gekillt werden! Ego-Geschichten, die ablaufen können, wären tödlich für die SEALs. Für erfolgreiche Teams und Firmen sind sie zwar nicht tödlich, aber auch nicht ungefährlich. Dies bedeutet auch, zuerst die eigenen Bequemlichkeiten abzuschaffen (also zu «killen») und sich erst mal darauf zu besinnen, dass es darum geht, eine Leistung abzuliefern.
DIE LAST
Es ist ja grundsätzlich eine gute Idee, als Letzter oder noch besser gar nicht zu sterben. In diesem Kontext bedeutet dies, dass alle Flanken geschlossen werden müssen, um Misserfolge abzuwehren. Alle diejenigen abzuwehren, die sich nur bedienen wollen oder die schwächen wollen, damit sie selbst etwas darstellen können.
ONE SHOT, ONE KILL
Ein einziger präziser Schuss ist viel besser und effizienter als mit der Schrotflinte im Zufallsprinzip wild durch die Gegend zu ballern in der Hoffnung, so das Ziel zu treffen. Hier bedeutet diese Aussage eine präzise Vorarbeit zu leisten, um mit wenig Aufwand das Ziel zu erreichen. Die Art wie sie arbeiten ist: sich anschleichen, anpeilen, ein Schuss, ein Treffer.
Und genau so geht ein erfolgreiches Team mit Projekten vor. Ein Schuss – ein Projekt, und das bitte präzise! Solange konzentriert dranbleiben, bis der Moment für den Absch(l)uss gekommen ist. Und dann erfolgreich absch(l)iessen!
NO LUCK – ALL SKILL
Ein SEAL hat kein Glück! Sie haben hart für den Erfolg trainiert und überlassen nichts dem Glück! Und so muss es auch im Geschäft sein: für den Erfolg hart arbeiten (trainieren) und so zum Ziel kommen ist dann das Glück der Tüchtigen. Nur einfach mit Glück oder Zufall erfolgreich sein, ist keine Option.
Du denkst, dass ein Vorgehen nach diesem Massstab krass ist? Ich glaube, dass es für den Erfolg eines erfolgreichen Onboardings genauso und kompromisslos umgesetzt werden muss. Vor allem für wichtige Schlüsselpositionen.
Und im Hintergrund spricht wieder die Stimme, die Du schon ein paarmal gehört hast: «Keine Kompromisse eingehen!»…
Selbstverständlich wirst Du das Vorgehen und die Vorgaben auf Deine Firma anpassen müssen, aber als «Blaupause» finde ich es eine sehr taugliche Grundlage.
SEHR WICHTIG:
Ich habe dieses militärische Beispiel der NAVY SEALs nur deshalb genommen, weil es so kompromisslos ehrlich ist. Und genau deswegen finde ich es eine perfekte Grundlage für ein erfolgreiches Onboarding.
AUCH NOCH WICHTIG:
Du hast in diesem Beitrag ein paar mal gelesen: «keine Kompromisse» ...
Der Grund für diese Aussage liegt in folgendem Zitat
«Ich will vordenken – nicht nachdenken!»
Bruno Franzen
Wer ist Bruno Franzen und weshalb zitiere ich ihn im Zusammenhang mit Onboarding?
1965 hatte Bruno Franzen im Alter von 23 Jahren den Ferienhaus-Vermittler «Interhome» – damals noch unter dem Namen Swiss Chalets – in London gegründet und baute die Firma zum führenden Anbieter mit breitem Filialnetz in Europa aus.
Er war sozusagen der Vorläufer von «Air B'n'B». 1989 verkaufte er seine Firma für rund 60 Millionen Franken an die Hotelplan-Gruppe der Migros, blieb in der Folge Unternehmensberater und Kulturmäzen.
Er starb 75-jährig am 11. August 2017.
Keine Kompromisse eingehen
Er zeichnete sich zeitlebens durch eine Verachtung für alle Kompromisse aus und was er machte, tat er konsequent. Er war ein Pionier des papierlosen Büros. Wer bei ihm einen Aktenordner überflüssig machte, wurde mit einer Prämie belohnt. Schon 1980 führte er in allen Filialen zwingend EDV ein.
Was bedeutet das für Dein nächstes Onboarding?
Wenn Du dieses erfolgreich und professionell durchführen willst, musst Du Kompromisse nicht gerade verachten wie Bruno Franzen, darfst aber auf keinen Fall irgendwelche eingehen!
Ich hatte das Glück, Bruno Franzen anlässlich einer jährlichen Management Conference von Hewlett-Packard «live» zu erleben. Seine Präsentation stiess bei mir auf offene Ohren und ich fühlte mich verstanden. Ich mochte Kompromisse eigentlich nie und seit diesem Tag, wusste ich erstens weshalb und zweitens hatte ich eine gute Alternative.
In Kompromissen verlieren immer beide Seiten! Du willst etwas, die andere Seite auch – und wenn das nicht geht, trifft man sich irgendwo in der Mitte. Und weil beide Seiten etwas verlieren, denkt man, dass es fair ist. Ist es vielleicht, aber wäre es nicht schön, wenn es eine Variante gäbe, in der niemand verliert? YEP - das gibts: den Konsens!
In einem Konsens ist es Pflicht von beiden Seiten, auf die jeweilige Gegenseite zu gehen, um zu verstehen, was die andere Seite will. Wenn beide Seiten den Wunsch der «anderen Seite» verstanden haben, liegt die Lösung meistens auf der Hand.
Stell Dir eine Familie mit zwei Kindern vor. Es ist Muttertag und die Kinder schleichen sich frühmorgens in die Küche, um die Mutter mit einem Frühstück zu überraschen. Die Eltern «schlafen» noch und freuen sich auf's Frühstück der Kinder. Nach einer Weile werden die Stimmen der Tonfall in der Küche lauter: Streit!
Der Vater schwingt sich aus dem Bett und geht in die Küche, wo er die beiden Kinder sieht, wie sie um die letzte Orange streiten. Beide wollen (oder brauchen) eine Orange, aber es hat bloss eine.
Kompromiss würde bedeuten, wir teilen die Orange – jeder bekommt eine Hälfte und gut ist! Jeder hat verloren – nämlich eine halbe Orange.
Konses bedeutet zu verstehen, WESHALB jeder eine ganze Orange braucht! Weil die Mutter ja noch «schläft» und erst zum fertigen Frühstück in der Küche erscheinen darf, übernimmt der Vater die Rolle des Mediators. Jedes der beiden Kinder soll erklären, weshalb es die ganze Orange braucht.
Das eine Kind braucht die ganze Orange, um über die feine Vanillecrème die Schale zu reiben, um einen mediterranen Geschmack zu erzeugen. Das andere Kind braucht die ganze Orange, um frisch gepressten Orangensaft zu machen.
Beide haben verstanden, weshalb «die andere Seite» die Orange wollte, und nachdem dies klar war, lag die Lösung auf der Hand: zuerst die Schale der ganzen Orange mit der Raffel abreiben und dann die ganze Orange auspressen für den Saft.
Dies mag ein banales Beispiel sein. Ich glaube jedoch, dass es stellvertretend für jede Situation sein kann, in welcher zwei (oder mehrere) Seiten dasselbe wollen.
In diesem Zusammenhang fällt mir eine Weisheit der Lakota ein; leicht angepasst auf unser Thema:
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Ja, das will ich!